Portrait

Windkanal 1/00 Interview mit Ensemble Dreiklang Berlin

Ein Blockflötentrio, das hochkarätige Wettbewerbe gewinnt - gleichzeitig jedoch in seinem Repertoire mit einer Mischung aus Pop und Klassik vor nichts zurückschreckt: Gisela Rothe sprach mit den drei Musikerinnen Irmhild Beutler, Marion Kokott und Sylvia C. Rosin.

Windkanal: Ein Bockflötentrio ist eine ganz spezielle, alles andere als alltägliche Ensemble Besetzung. Wie sind Sie dazu gekommen, als Ensemble zusammenzuarbeiten?

Sylvia
: Wir haben uns im Studium kennen gelernt und 1992 am Kammermusikwettbewerb der Hochschule der Künste Berlin teilgenommen. Zwischen den vielen Streichquartetten und Klaviertrios hatten wir nicht damit gerechnet, überhaupt eine Chance zu haben. Wir waren dann sehr überrascht, als wir den 1. Preis gewannen. Das motivierte uns natürlich sehr, weiterzumachen, und so begannen wir, uns ein Repertoire zu erobern.

WIKA
: Wer Ihre CDs und Konzerte hört, der gewinnt leicht den Eindruck: "Alle Wetter, die schrecken ja vor nichts zurück!" Da tummeln sich Arrangements aus der Popmusik wie Fever - gespielt auf Bassflöte, Subbass und einer Flasche - oder die Titelmusik der Muppet Show neben ernsthaften Werken alter und neuer Musik...

Marion
: Wir haben nach jahrelanger Konzerterfahrung drei Kriterien entwickelt, nach denen wir unsere Musik auswählen. Erstes Kriterium: Die Musik, die wir spielen, muss auf Blockflöten gut klingen. Das scheint banal, ist es aber bei näherem Hinsehen nicht. Es braucht einige Erfahrung, um Stücke zu finden, die dem speziellen Klang eines Blockflötentrios entsprechen, zumal es sehr wenig Originalliteratur für diese Besetzung gibt. Da kann es einem passieren, dass man ein wunderschönes Musikstück in den Händen hält, bei dem aber der Tonumfang der Instrumente überschritten wird; die Flöten spielen in ungünstigen Lagen, die Stimmen mischen sich klanglich nicht gut, oder eine Besetzung mit anderen Instrumenten wäre viel vorteilhafter.

Irmhild
: Das hat mich dazu bewogen, selber Stücke für unser Trio zu schreiben, so z.B. The Great Pumpkin, und Sylvia begann damit, Stücke zu arrangieren, für die uns die Besetzung mit drei Blockflöten musikalisch und klanglich reizvoll erschien.

Marion
: Unser zweites Kriterium lautet: Die Musik, die wir spielen, muss uns Spaß machen. Auch das scheint selbstverständlich, jedoch sind wir als klassische Musikerinnen durch das Hochschulstudium und durch renommierte Blockflötisten und deren Repertoire geprägt. Sich abseits der abgetretenen Pfade zu bewegen und ein eigenes Profil zu entwickeln, braucht Zeit und auch ein bisschen Mut. So haben wir auf dem Ensemblewettbewerb des Internationalen Blockflötensymposions Calw 1998
Mit unseren Pop–Arrangements für heftige Diskussionen gesorgt. Unser drittes Kriterium ist: Die Musik, die wir spielen, muss auch dem Publikum Spaß machen. Ein Blockflötentrio ist tatsächlich keine alltägliche Besetzung im Konzertleben. Gerade darum ist es immer wieder Pionierarbeit, KonzertbesucherInnen an den speziellen Klang eines Blockflötentrios heranzuführen. Je nach Anlass und Rahmen eines Konzertes suchen wir deshalb nach einer Programmkonzeption, die mehr ist als ein bloßes Aneinanderreihen von Musikstücken. Das kann ein philosophischer Gedanke von John Cage sein, den wir unserem Programm zugrunde legen, ein thematischer oder rein musikalischer Spannungsbogen. Poetische Texte, Anekdoten und Erläuterungen bereichern unsere Konzerte, und es ist uns ein wichtiges Anliegen, den persönlichen Kontakt zum Publikum herzustellen und die Zuhörer unseren eigenen Spaß beim Musizieren miterleben zu lassen.

WIKA
: Wer Ihre Arrangements gehört hat, den juckt es meist in den Fingern und er würde am liebsten auch...

Sylvia
: Bei Universal Edition Wien erscheint seit Herbst 1999 eine eigene Notenreihe mit unseren Arrangements und Kompositionen für Blockflötentrio, die auch von fortgeschrittenen SchülerInnen spielbar sind. In den ersten beiden Heften sind Mozarts Alla turca und The Bare Necessities (Probier's mal mit Gemütlichkeit aus dem Dschungelbuch) vertreten, als nächstes folgt ein Bach–Heft mit der Badinerie und anderen Sätzen aus der Orchestersuite h-moll. Außerdem bieten wir auch Workshops an, in denen wir attraktive Trioliteratur vorstellen, an der sowohl unser Konzertpublikum als auch BlockflötenschülerInnen ihren Spaß haben.

WIKA
: Sie arbeiten auch mit anderen KünstlerInnen zusammen...

Irmhild
: Ja, in unserem Konzert beim ERTA–Kongress 1999 haben wir zusammen mit der Tänzerin Jutta Voß (Anm: Dozentin für historischen Tanz an der HdK Berlin) zwei Werke aufgeführt. Sie tanzte La Follia in einer historischen Choreographie mit Kastagnetten und Witold Szaloneks Das Haupt der Medusa, wobei Medusa unter einer Plastikplane gegen den imaginären Perseus kämpft.
Ganz neu ist unser Familienprogramm Clown Pipo geht ins Flötenkonzert, eine Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Thomas Schleissing–Niggemann. In einer Kombination aus Konzert und Theater lernen Kinder und Eltern auf vergnügliche Art und Weise die Instrumente der Blockflötenfamilie anhand von Musikbeispielen vom Mittelalter bis zum Jazz kennen. Dieses Programm bieten wir Grundschulen an oder auch Musikschulen für Kinder in der Musikalischen Grundausbildung und BlockflötenschülerInnen ab 5 Jahren, außerdem in Konzertreihen mit Familienkonzerten.

WIKA
: Wir haben bereits früher schon einmal darüber gesprochen: Der Dreiklang ist Name und Motto Ihres Ensembles. Wie sind dabei nun die Rollen verteilt – gibt es bei Ihnen einen Grundton, eine (Dur- oder Moll-)Terz oder eine Quinte?

Marion
(lacht): Das ist eine amüsante Frage. Ein Freund und Musikerkollege von mir, dem ich diese Frage stellte, sah das folgendermaßen: Sylvia als Grundton, da sie die Basis des Ensembles sei, auf der die kreative Arbeit wachse. Marion als Quinte, die somit das Spannungsverhältnis zum Grundton bilde und damit eine spezielle Klangfarbe in das Trio mit einbringe. Irmhild als Terz, die sowohl menschlich als auch musikalisch das Bindeglied zwischen Grundton und Quinte darstelle. Mir hat diese Antwort gefallen, deswegen möchte ich sie so stehen lassen.

WIKA
: Wie schafft man das, so eine lange Zeit (immerhin fast 10 Jahre) "harmonisch" als Ensemble zusammenzuarbeiten? Sind Sie ganz besonders friedfertige Persönlichkeiten?

Irmhild
: Ja und nein. Zu einer produktiven künstlerischen Ensemblearbeit gehören kreative und individualistische Persönlichkeiten, die unterschiedliche Impulse setzen, Kontraste und Spannungen aufbauen und zueinander in Harmonie bringen können. Entscheidend ist, dass jede Musikerin des Ensembles bereit ist, sich auf Prozesse menschlicher und künstlerischer Art einzulassen. Dann kann ein Ensemble wachsen und eine überzeugende Ausstrahlung entwickeln.

WIKA
: Was sind Ihre Pläne und Wünsche für die Zukunft?

Marion: Wir sind auf der Suche nach einem Agenten, der uns an Veranstalter vermittelt, da diese Arbeit doch sehr zeitintensiv ist. Wir würden unsere Kraft lieber der künstlerischen Arbeit zufließen lassen. Außerdem möchten wir gerne unsere nächste CD produzieren und suchen Sponsoren, die dieses Projekt finanziell unterstützen.

Sylvia
: Wir stellen immer wieder fest, dass sich auch Nicht–Blockflötisten von unserer Musik begeistern lassen. Es ist unser Wunsch, unsere Blockflötenmusik einem größeren Publikum zugänglich zu machen und dazu beizutragen, das allgemeine Blockflötenimage zu verbessern. Darüber hinaus hoffen wir auf eine weitere spannende und kreative Zusammenarbeit in unserem Trio, die uns und der Blockflöte innovative Anregungen geben wird.

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